Zu Christian Friedrich Daniel Schubart
„In einem Bächlein helle,
Da schoß in froher Eil
Die launische Forelle
Vorüber, wie ein Pfeil:
Ich stand an dem Gestade
Und sah in süßer Ruh
Des muntern Fischleins Bade
Im klaren Bächlein zu.“
(aus Schubarts „Forelle“)
Die wenigen Bilder, die es von ihm gibt, zeigen einen dicken, feisten Kerl, einen Mann, der gern säuft, der frisst, der vermutlich Bluthochdruck und sein Cholesterin nicht im Griff hatte. Ein Lebemann, der Frau und Kindern das Leben zur Hölle machte. Schubart hatte eine donnernde Bassstimme, eine vulkanische Natur soll er besessen haben. Aber auch eine locker sitzende Zunge, er war ein brillanter Redner, einer, der stundenlang extemporieren konnte. Seine Texte hat er häufig diktiert, gern auch im Wirtshaus. Eine charismatischer Mann also mit enormem Wissen und, wie ein Zeitgenosse es nannte, mit „wie ein Quellbach rieselndem Mutterwitz“.
Christian Friedrich Daniel Schubart war ein Tausendsassa, war Journalist, Musiker und Lieddichter. Von Kindesbeinen an höchst talentiert. 1739, also vor fast 300 Jahren wurde er in Obersontheim geboren, das liegt bei Schwäbisch Hall. Er wächst in Aalen auf. Der Vater ist Dorfpfarrer, Lehrer und Kirchenmusiker. Und der Sohn, dem es an Selbstbewusstsein wohl nicht mangelte, schreibt später: „Im achten Jahre übertraf ich meinen Vater schon im Klavier, sang mit Gefühl, spielte die Violine, unterwies meine Brüder in der Musik“
Schubart geht zum Studium nach Erlangen und berichtet: Ich „studierte, rumorte, ritt, tanzte, liebte und schlug mich herum“. „Ich war damals der beste Flügelspieler und Dichter in Erlangen.“ Aber er ist auch ein „tobender Wildfang“, treibt sich in Hörsälen, Konzertsälen und Wirtshäusern herum, macht Saufgelage, macht Schulden, landet im Universitätskarzer, dem studentischen Gefängnis.
Und so wird es immer wieder sein im Leben von Schubart: Höhenflüge einerseits – und dann Exzess, Absturz, Zerknirschung. Während der Papa daheim immer wieder sagt: „Bei all seinen Fehlern ist er noch immer mein Liebling.“ Denn er war überzeugt, dass sein Sohn „Gaben für zehn“ besitzt.
Trotz seiner vielfältigen Gaben ist Schubart heute weniger wegen seiner Gedichte bekannt – die haben Berühmtheit erlangt, weil ein fast-Namensvetter sie vertonte: Schubert. Die „Forelle“ ist eines der populärsten Lieder von Franz Schubert.
Aber wenn man mal hineinblättert in Schubarts Biografie und seine Texte, stellt man fest, dass sie extrem kurzweilig sind und voller unterhaltsamer Anekdoten.
Als er zehn war, erschoss er beinah seinen Bruder mit der Jagdpistole des Opas.
Nach dem verkrachten Studium wird er in Geißlingen Unterlehrer „über 100 Kinder, roh und wild wie unbändige Stiere, wurden mir auf die Seele gebunden“ – „lieber ein Sklave in Tripolis als in Geislingen Knaben unterrichten“. Er macht trotzdem das Beste draus und diktiert den Jungen Bewerbungsschreiben mit erfundenen Namen wie Jörg Quecksilber und Christoph Mistfink.
Diese Schubart ist eben auch ein witziger Typ, originell, frech. Er war ein Spötter, hat sich über seine Vorgesetzten und über Fürsten mokiert und scherte sich nicht darum, dass er es sich mit allen Höfen verscherzte. Als er eine Weile in Ludwigsburg Chordirigent war, ärgerte er sich über die Sänger und schrieb eine Motette: „Wir können nicht wider dem Herrn“, was er aber so montierte, dass sie schließlich sangen „Wir können nichts“.
Schubart selbst hielt sich für ein Genie, was er vielleicht auch ein Stück weit war. Er wurde bewundert, man wollte diese charismatische Persönlichkeit reden hören. Aber mir ist vor allem sympathisch, dass Schubart immer schonungslos und sehr klarsichtig auch sich selbst beurteilte, dass er streng mit sich, seinen Lastern und Abgründen ins Gericht ging. Denn er war eben immer zu allen Schandtaten bereit, hatte Verhältnisse, schlug seine Frau. Mal soff er mit dem einfachen Volk, als Organist in Ludwigsburg liebte er dagegen das höfische Leben unter Carl Eugen. Zitat Schubart: „Ich freue mich von Herzen über das Privileg, dumm und vornehm zu sein.“
Wofür man Schubart heute vor allem kennt: Er saß über zehn Jahre im Gefängnis, eingesperrt auf dem Hohenasperg, einem hier in der Nähe liegenden Hügel. Ohne Anklage! Ohne Begründung! Aus reiner Willkür des Fürsten.
Es gibt verschiedene Theorien, warum er sich den Unmut des Herzogs zuzog, manche meinen, der Grund sei eine Intrige des Wiener Hofes gewesen. Mir gefällt am besten die Version, dass es daran lag, dass er die Herzogin, Franziska zu Hohenheim, als „Donna Schmergelina“ verspottete und als „Lichtpuze – es glimmt und stinkt“.
Er musste mehr als ein Jahr in einem dunklen Kellerloch schmachten, kaum Licht, keine Kontakte, Schreibverbot Später werden die Haftbedingungen sukzessive gelockert. Schubart wird in dieser Zeit religiöser, glaubt, dass es seine gerechnet Strafe sei für seine Lästereien. Er wird zahmer, schreibt jetzt sogar Hymnen auf Friedrich den Großen. Und als er endlich frei kommt, wird er pikanterweise in Ludwigsburg Musik- und Theaterdirektor beim doch so verhassten Herzog. Er gibt wieder eine Zeitschrift heraus und der Herzog gewährt ihm Zensurfreiheit. Der Herzog gibt sogar Schubarts Gedichte als Buch heraus – verkauft sich bestens.
Man hat sich also irgendwie arrangiert, Schubart ist eben friedlicher geworden, auch kränklich, aufgedunsen, versoffen. Mit 57 Jahren wird er von einem Schleimfieber befallen und stirbt. Hier, auf dem Hoppenlau-Friedhof ist er vermutlich nicht bestattet worden, sondern wurde wohl später umgebettet. Sogar über seinen Tod kursierte lang die Legende, man habe ihn lebendig begraben.
Heiner Müller, der als Schriftsteller der DDR auch staatliche Willkür kannte, hat das auf seine Weise beschrieben: „Als man sehr viel später den Friedhof abgeräumt hat, hat man entdeckt, dass der Sarg von innen völlig zerkratzt war, der Sarg von Schubart, das ist schon makaber, nach zwölf Jahren Knast auch noch scheintot zu sein.“