Sieh dir die W an, wie die W t kann

Über die deutsch-deutsche Grenze darf man keine Witze machen. Selbst bei Liedern muss man höllisch aufpassen.

Wie wäre es mit einem Witz? Erich Honecker bekommt einen Erpresserbrief: „Wir haben zusammen geschlafen – schicke mir 100 Mark oder ich gebe dies der Öffentlichkeit preis!“ Honecker zahlt. Kurz darauf fordert die Frau 1000 Mark. Honecker zahlt. Als sie 10 000 Mark will, bestellt er sie zu sich.

Leider muss ich an dieser Stelle abbrechen. Das Thema ist zu ernst für Witze. Darüber lacht man nicht, sagt eine Freundin. Dafür hat sie sofort angefangen zu singen: „Auf der Mauer, auf der Lauer, sitzt ’ne kleine Wanze“. Wir haben einträchtig alle Strophen durchgesungen bis: „Sieh dir mal die W an, wie die W t kann“.

Ich bin dann aber doch ins Grübeln gekommen. Warum sitzt auf der Mauer ausgerechnet eine Wanze? Und nicht ein Huhn? Oder ein Hängebauchschwein („Sieh dir mal das Hbschw an, wie das Hbschw t kann“). Die Freundin hat es mir erklärt: Gemeint sei nicht etwa eine Schnabelkerfe oder aber eine Bettwanze. „Sondern so eine miese DDR-Schnüffelwanze“.

Deshalb: Stopp! Auf keinen Fall weitersingen! Tabu!

Der Schauspieler Benno Fürmann hat dieser Tage erzählt, dass die Mauer in seiner Kindheit einfach dazugehört habe. „Wenn man Fußball gespielt und den Ball darüber geschossen hat, war der Ball weg.“ Ich habe früher zwar auch Fußball gespielt, aber auch ferngeschaut. Dalli Dalli. Klimbim. Und Uri Geller. Das war ein Bühnenmagier, der Hokuspokus machte und durch den Fernseher hindurch Besteck verbiegen konnte. Bei uns war prompt eine Gabel total krumm. Ausgerechnet vom guten WMF.

Offensichtlich sind nicht nur Bälle über die Mauer geflogen, auch die übersinnlichen Kräfte Uri Gellers machten vor der Mauer nicht halt. Das stellte ich bei meinem ersten Besuch in der DDR fest. Es war im Intershop (nicht: Internetshop) beim Mittagessen. Man aß Räuberbraten mit Quetschkartoffeln. Mit Blechbesteck – das kolossal verbogen war. Da hat Uri Geller dem Honecker einen schönen Streich gespielt.

Übrigens ist nicht bekannt, ob es sich bei der Erpresserin von Honecker um ein Mauerblümchen handelte, um eine Traktoristin oder Brigadetagebuchführerin, und ob der Brief mit Plaste oder Behelfsetikett versehen war. Wie gesagt, als die Frau 10 000 Euro forderte, bestellte Honecker sie zu sich und fragte verwundert, wann und wo sie zusammen geschlafen hätten. „Ja nu“, sachte die Frau, „auf dem XI. Parteitag – Sie im Präsidium und ich in der 17. Reihe.“

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