Der Neujahrsgruß unserer Kolumnistin ist traditionsgemäß gereimt.
Aber die Niederungen des Seins haben jegliche Höhenflüge verhindert.

Halt ein, du eilig neues Jahr!
Ist es denn wirklich? Ist es wahr?
Schon sieben Monde bist du da?
Willkommen du! Ach ja. Ach ja.

Zum Jänner allererster Stunde
Gehört’s dazu, dass ich profunde,
Beseelt durch Geistes Kraft und Munde
Gereimt servier‘ die frohe Kunde.

Doch ach, ich sitz am Schreibtisch noch,
Verfluchtes Kolumnistenjoch!
Käm‘ doch der Teufel, poch, poch, poch,
Und füllte mir das Zeilenloch.

Kurz, diesmal wollt nicht recht gelingen,
In Dichters Tradition zu singen,
Kein Faulbett mocht‘ mich niederzwingen.
Und doch, kein Vers konnt‘ ich erringen.

So las ich Schiller und auch Goethe,
Suchte voll der Schamesröte,
Ob sich nicht zum Raub was böte.
Weh, weh, wer hilft? Vertreibt die Nöte?

Komm her, o Muse, rief ich laut!
Hätt‘ beinah‘ den Olymp geschaut.
Stattdessen wurd‘ im Hof es laut
Zwei Buben ham sich dort gehaut.

Tags drauf, es gilt, nun soll es sein.
Ich schmiede einen ersten Reim:
Liebe Leser/-innen mein,
Kommen Sie gut ins Neue rein.

Halt ein! Solch Vers ist wahrer Graus.
Flink streiche ich die Zeilen aus.
Was ist zu Essen noch im Haus?
Pardon, ich muss zum Einkauf raus.

Doch dann, der Mond in heller Nacht
Prangt droben hoch in runder Pracht.
Ein erstes Wort fließt hin ganz sacht,
Pardauz – im Hof ein Böller kracht.

Erst spät kehrt Ruhe ein im Wipfel,
Der Schnee liegt auf der Städte Gipfel.
Da zerrt etwas an Rockes Zipfel.
Es ist des Nachbars Pudel Schnipfel.

Der Hund hält knurrend bei mir Wacht
Die Flamme zischt in tiefer Nacht,
Derweil ich kraulend nachgedacht
Und doch nichts aufs Papier gebracht.

„Ach, Köter mein, komm an die Brust“,
Rufe ich plötzlich voll der Lust.
„Nein“, bellt der Schnipfel mir zum Frust,
„Du weißt, dass du noch schreiben musst.“

Bin Genius nicht, nur Famulus,
Dem nicht gelingt der Neujahrsgruß.
Wünsch‘ für Zweizehn und ein Jahr plus
Jetzt schlicht nur Glück und nie Verdruss.
Es wird, versprochen. Muss, muss, muss!

zurück