Sehr geehrte Leserinnen und Leser, das ist voraussichtlich die letzte Kolumne. In der vergangenen Woche habe ich hier nämlich „Sprechstundenhilfe“ geschrieben. Das ist unverzeihlich. Das ist ein so schweres Vergehen, für das man mich teeren und federn sollte, häuten und schinden. Oder besser noch geißeln, peitschen, strecken und schlagen, steinigen, pfählen, ausweiden und vierteilen. Und dann ersäufen. In der Jauchegrube.
„Verschonen Sie uns in Zukunft mit Ihrem Geschreibsel“,, fordert eine anonyme Leserin in einem geharnischten Brief. „Das ist nicht gut für das Niveau der Stuttgarter Zeitung“. Es heiße nämlich nicht Sprechstundenhilfe. Es heißt „Medizinische Fachangestellte“.
Das müsste man aber auch wirklich wissen. Man sagt ja auch nicht Krankenschwester, Flaschner oder Kfz-Mechaniker. Sondern Gesundheitspflegerin, Anlagenmechaniker für Sanitär- und Klimatechnik und Automobil-Mechatroniker. Bäcker kommt jetzt übrigens auch bald auf den Index: Der heißt ab sofort Delicateur.
Unabhängig davon stand ich kürzlich in einem Lebensmitteleinzelhandelsgeschäft in der Schlange, als eine Flasche Olivenöl vom Band fiel. Um die Sauerei wegputzen zu können, musste die zuständige Detailhandelsfachfrau ihren Warenzellenkassenstand schließen. Es gab Tumulte. Es wurde geflucht, geschimpft, getobt. Wenn man noch lynchen dürfte, würde die Detailhandelsfachfrau jetzt gehäutet und gevierteilt in der Jauchegrube liegen. Neben mir.
Aber das ist ja auch alles wirklich schlimm. Dieser Tage hätte eine Kundin fast den Thai-Laden demoliert, weil sie den Preis von den Shrimps nicht finden konnte. Adrenalin wurde in Adern gepumpt. Herzen rasten. Alles ging in Kampfstellung. Kriegsgetrommel. Säbelrasseln. Attacke!
Aber nein, Halt, Stop. Dürfen wir ja nicht. Man darf ja nur noch verbal um sich schlagen. Leider. Die medizinische Fachangestellte darf dem Delicateur nicht einfach eins drüber semmeln, auch wenn sich die Detailhandelsfachfrau am Warenzellenkassenstand verrechnet hat. Die Podologin kann die Gesundheitspflegerin auch nicht häuten und pfählen, selbst wenn die sie Fußpflege genannt hat.
Deshalb kam es im Thai-Laden auch nicht zu einer Massenschlägerei. Aber der Verkäuferin haben wir es trotzdem so richtig gegeben: „Sie unfähige Person“, hab ich gleich lauthals mitgeschrien, „Sie . . . Sie . . . Sprechstundenhilfe!“